…die, Abba und Fernando.
Bärbel war das schärfste Mädchen auf der Schule, damals im Sommer 1976.
Sie hatte schulterlange blonde Haare, war die Beste in Mathe und überhaupt ziemlich klug. Alle Jungs waren hinter ihr her. Dies jedoch nicht mal wirklich, weil sie schlauer als die meisten von uns war, denn das mögen Jungs ja nicht so sehr, wenn ein Mädchen klüger ist als sie es selbst sind. Nein, in dieser speziellen Angelegenheit ging’s nicht ums Kluge, sondern um Brüste – und da Jungs Brüste mögen, mochten sie auch Bärbel, weil, die hatte schon welche und davon nicht zu knapp. Bärbel gehörte nicht zu den Mädels, die ihre weiblichen Reize in Glitzer-Tops und Hüfthosen zur Schau stellte. Da war sie konsequent anders. Anders will heißen, Bärbel war ein nachdenkliches, schüchternes Ding mit Pickeln, herber Hornbrille und selbstgeklöppelten Angora-Plüsch-Pullundern plus Arafat-Tuch und sprach von Dingen wie Politik oder Sozikram, die nun überhaupt nicht in das Bild eines extrempubertären Lüstlings um die 16 passten.
Ihre Brüste sehr wohl, und auch wenn ich natürlich schon damals wusste, dass Frauen dann doch eher nicht meinen sexuellen Lebensweg begleiten würden, war ich ebenso neugierig, wie meine pavianartig wild onanierenden Mitschüler auf das, was da unter ihren flauschig-wollenen Oberteilen hin und her schwuppte.
Wenigstens mal anfassen. Nur mal kurz und ganz vorsichtig.
Aber wie sollte ich das anstellen? Mathenachhilfe? Jo, das war die Lösung. Zwar würde ich sowieso nichts von Zahlenjongliererei verstehen, aber darum ging es ja nicht. Ich bat sie alsbald mit unschuldigem Augenaufschlag inklusive säuselnder Stimmlage um ein wenig Aufklärung, und weil ich nicht wie die anderen Jungs, sondern damals schon ein Frauenversteher äußerster Raffinesse war, ahnte Bärbel nichts von meinen niederträchtigen Absichten und zeigte sich bereit, mir 1, 2, 3 auf die Sprünge zu helfen. Strike! Brüste von Bärbel, seid willkommen. Da saß ich nun neben ihr und versuchte aufmerksam dem zu zuhören, was sie mir geduldig erklärte. Verstanden habe ich nichts, nicht in der ersten Stunde, nicht in der zweiten und eigentlich in keiner der wenigen Matheaufklärungssessions. Warum auch? Ich war ja an etwas ganz anderem interessiert und spitz wie Nachbars Lumpi, konnte nicht aufhören, verstohlen auf das zu starren, was ständig lasziv auf ihren Schreibtisch ploppte, wenn sie für mich die schönsten Zahlenreihen malte. Brüste ohne Zahlen aber in Angora. Bärbel merkte nichts und dudelte dabei jedes Mal die neueste Abba-Scheibe. Rauf und runter, hin und zurück.
„Can you hear the drums, Fernando?”.
Und wie ich das Getrommel hörte…
Ich hatte nichts gegen Abba, war aber auch schändlicherweise kein Fan und besaß bis zu meiner Begegnung mit Bärbel nicht eine einzige Platte von Agnetha und Co. Rauf und runter, hin und zurück. „Dancing Queen, young and sweet, only seventeen…“. Ja, ich war jung und süße sechzehn, hochgradig pubertär und von wilder, verklemmter Geilheit. Hatte von Sex überhaupt keine Ahnung und wollte nun unbedingt mal wissen, wie das so ist. Das mit dem Sex und so. Bärbel nicht. Habe ich dann volle Pulle gemerkt, als ich es endlich wagte und in einem Anfall von Mut – und im Takt von „Fernando“ – meinte, mal kurz an ihren Hupen hupen zu müssen.
Hup links, Hup rechts, die Ohrlaschen hatten gesessen.
Bärbel kreischte hysterisch was von Unverschämtheit, von Emanzipation und sexueller Unterdrückung und schmiss mir Abba mit Fernando hinterher, als ich mit wehender, leicht gesäuerter Dauerwelle eilig aus der Wohnung trabte. Die Gute hat nie wieder ein Wort mit mir gesprochen und mich mit Missachtung gestraft. Ist aber ehrlich gesagt auch nicht weiter schlimm gewesen, die Sache mit der Strafe, denn sie haben sich eh nicht so dolle gut und ungefähr wie die Euter unserer Milchziegen angefühlt. Die Brüste von Bärbel. Und wen interessiert schon Mathematik?
Mich nicht und Bärbels Bruder auch nicht.
Der hieß Gerd, war schon 17 und hatte keine Brüste. Aber dafür andere entzückende Dinge, die mich von meinem Wesen her irgendwie mehr interessierten. Ohne Angora. Und Gerd war auch ein Lumpi mit nachbarlichem Charakter. Nichts lag da also näher als gemeinsam lumpig zu lumpen, der Gerd und ich. Die Sau. Bärbel hat davon nie etwas mitbekommen. Das war auch gut so, sonst hätte sie womöglich wieder gekreischt und mir am Ende noch „Living Next Door To Alice“ von Smokie hinterher geschmissen. Und das wäre nicht wirklich nett gewesen, denn die mochte ich nun ganz und gar nicht. Aber Gerd. Und Fernando von Abba.
Ohne die Brüste von Bärbel.
